H ZWEI O : Klang / Raum
Martin Breindl | Bernhard Kathan





"Wasser war durch die Geschichte als der Stoff der Reinheit empfunden worden: Heute ist H2O der neue Stoff, der gereinigt werden muß, um das menschliche Überleben zu sichern. H2O und Wasser wurden zu Gegensätzlichkeiten: H2O ist das gesellschaftliche Produkt der modernen Zeit, eine knappe Ressource, die einer technischen Bewirtschaftung bedarf. Eine kontrollierte Flüssigkeit, die die Fähigkeit verloren hat, die Wasser der Träume zu spiegeln. Das Stadtkind hat heute keine Chance mehr, mit lebendigem Wasser in Berührung zu gelangen. Wasser kann nicht mehr betrachtet werden; wir können es uns nur noch in der Phantasie vorstellen - in der nachdenklichen Wahrnehmung eines zufälligen Tropfens oder einer bescheidenen Pfütze."
Ivan Illich, "H2O und die Wasser des Vergessens"

Dass Wasser eine entscheidende Ressource darstellt, ist selbst Menschen bewusst, die sich nur oberflächlich mit dem Weltgeschehen befassen. Man denke an Dürrekatastrophen in der Sahelzone, an Krisen- und Kriegsgebiete, in denen der Zugang zu Wasser von entscheidender Bedeutung ist. Unsere Beschäftigung mit Wasser verdankt sich ganz banalen Umständen: Das HIDDEN MUSEUM verfügt über keinen Wasseranschluss. Es gibt weder eine Quelle, noch einen Brunnen. Wasser wird so zwangsläufig zu einem alltäglichen Thema, die Beschaffung wie die Nutzung des Wassers ist mit einiger Anstrengung verbunden. Der Trinkwasserverbrauch beträgt pro Tag und Person etwa vier Liter. Beim restlichen Wasser, und dies macht den größten Teil aus, handelt es sich um Regenwasser. Im Gegensatz zu Leitungswasser ist hier, spätestens dann, zeichnet sich eine längere Schönwetterperiode ab, eine strikte Bewirtschaftung erforderlich. Mag man eine Regentonne noch so gründlich reinigen, innerhalb kürzester Zeit entwickelt sich neues Leben (Algen, Mückenlarven etc.). Die Regentonnen sind dann zu reinigen, kündigt sich Regenwetter an. Hat man sich geirrt, ist Wasser an anderer Stelle zu beschaffen. Der nächste öffentliche Brunnen liegt etwa 200 Höhenmeter tiefer. Trinkwasser muss von dort geholt, manchmal auch getragen werden. An den Besuchern des HIDDEN MUSEUM geht all das nahezu spurlos vorbei. Sie sehen zwar, dass sie ihre Hände in einer bereitgestellten und mit sauberem Wasser gefüllten Waschschüssel waschen können, aber nur die wenigsten sehen, dass Wasser nicht einfach verfügbar ist.

Käme das Wasser einfach aus einer Leitung, wir hätten uns nie damit zu beschäftigen begonnen, dass die Verfügbarkeit von Wasser für sehr viele Menschen dieser Welt keinesfalls einfach gegeben ist, wie viel Zeit die tägliche Beschaffung von Wasser in Anspruch nehmen kann (dabei liegt das HIDDEN MUSEUM in einer Gegend, in der es an Niederschlägen nicht mangelt. In Entwicklungsländern ist der diesbezügliche Zeitaufwand für viele Menschen wesentlich höher, zumeist Frauenarbeit). Ich hätte nicht gelernt, unterschiedliche Wasserqualitäten zu beurteilen. Ich hätte nicht verstanden, wie eng etwa die Besiedelung des Alpenraumes mit dem Vorhandensein von Wasser verknüpft war. Ich hätte nicht verstanden, dass der Umgang mit Wasser von größter kulturgeschichtlicher Bedeutung ist. Um es kurz zu sagen: Vom Mund, der Wasser schlürfte, zur Hand, die Wasser schöpfte, von der Hand zu einfachsten Schöpfgeräten bis hin zu industriell gefertigten Kellen, Röhren aus Metall oder Kunststoff, mit denen sich Wasser leiten, Behältern unterschiedlichster Art, in denen sich Wasser aufbewahren lässt. Ein großes Kapitel der Kultur- und Technikgeschichte. Jede diesbezügliche technische Errungenschaft hat das Verhalten wie das Zusammenleben der Menschen nachhaltig beeinflusst. Man denke allein an Hygienevorstellungen.

Zum Thema Wasser ließen sich zahllose Kunstprojekte nennen. Der Bogen spannt sich dabei von historischen Brunnenanlagen, denen eine repräsentative Funktion zukam, bis hin zu zeitgenössischen Projekten, in denen Wasser als nicht beliebig verfügbare Ressource verstanden wird. Im Gegensatz zu den meisten der letztgenannten Projekten beschäftigen wir uns zwar mit Wasser, aber es wird, sofern es nicht regnet, weder Wasser zu sehen, noch zu hören sein. Und ob die Klanginstallation zu hören sein wird, wird von jeweiligen Umweltbedingungen, Wetterschwankungen und Temperaturunterschieden abhängen. Und dann gibt es noch einen sinnlich eingerichteten Raum, dessen Wirkung auch von den Wetterbedingungen, der Tageszeit wie dem Lichteinfall abhängen wird.

So es sich ergibt und erwünscht ist, werden Besuchern formlos Kulturlandschaftsspaziergänge zum Thema Wasser angeboten. Um Führungen im eigentlichen Sinn handelt es sich nicht, eher um Erkundungen im Sinne der von Lucius Burckhardt betriebenen Spaziergangswissenschaft.

HIDDEN MUSEUM / FRAXERN
1.Juli - 31.Juli 2015

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