Dieses Buch gehört Alma, Für Caroline / Für Barbara / Für Beverly / Für
Mechthild / Für Rita / Für Hilary, Für Annette / Für Esther / Für Traudi /
Für Gisela Maria / Für Doris.
Solche Büchern vorangestellte Widmungen können
gleichermaßen Zuneigung, eine Dankesbekundung, aber auch eine Entschuldigung
bedeuten. Vielleicht gilt die Widmung der Bewunderung, die Doris dem Autor
entgegen gebracht hat. Möglicherweise hat Doris durch Tippen, das Lesen von
Korrekturen oder ähnliche Arbeiten zum Entstehen des Buches beigetragen.
Eine Widmung kann auch einer Entschuldigung gleichkommen, etwa als
Entschuldigung dafür, so lange nicht ansprechbar gewesen zu sein, keine Zeit
für sie oder die Kinder gehabt zu haben. Widmungenen erinnern daran, dass es
- wie John Berger einleitend in einer seiner Widmungen bemerkt - in keiner
Gesellschaft ein Produkt gibt, das sich der Anstrengung eines einzelnen
Menschen verdankt: "Immer waren viele daran beteiligt." Wer immer Bücher
oder Texte schreibt, weiß, dass es leiblicher Zuträger bedarf, anderer, die
unterstützend die mühselige Arbeit begleiten. Widmung sind oft genug ein
symbolisches Äquivalent für erbrachtes Verständnis oder konkrete, in der
Regel unbezahlte Hilfeleistungen.
Zahllose Widmungen gelten der eigenen Familie, den Kindern, Geschwistern,
Vätern oder Mütter:
Für meine Eltern; Meiner Familie; Für Sara, mein eigenes
lebendes Wunder; meiner Mutter in dankbarer Liebe und Verehrung; Meinem
Vater. Dann gelten Widmungen vor allem Kollegen und Lehrern. Widmungen
können sehr formal und schlicht gehalten, aber auch detailliert
ausformuliert sein. Im besten Fall verschmelzen Widmungen mit dem
eigentlichen Werk, etwa in Form einer Vorrede oder eines Kommentars. Eine
der Widmungen von Günther Anders richtet sich an nicht näher genannte
Personen:
Jenen Staatsmännern, Industriellen, Wissenschaftlern und
Publizisten, die zu denkfaul sind oder moralisch zu beschränkt, um sich die
Folgen ihres Tuns vorzustellen, und die unfähig bleiben zu begreifen, daß
sie durch ihre pausenlose Erpressung und Terrorisierung der Menschheit den
von ihnen selbstgerecht verdammten Namen Terroristen als die Ersten
verdienen. Die Steigerungsform findet sich dort, wo ein Autor jene nennt,
denen er sein Werk keinesfalls zueignen will. Bereits Charles Sorel hat der
zweiten Ausgabe seines Francion aus dem Jahr 1626 die Bemerkung
vorangestellt:
An die Großen: Nicht um Euch dieses Buch zu widmen, mache ich
diese Epistel, sondern um Euch mitzuteilen, daß ich es Euch nicht widme.
Die Literaturgeschichte kennt Widmungen, die zu umfangreichen
Einleitungskapiteln angewachsen sind. Als besonders schönes Beispiel sei die
Widmung an Ninon in Emile Zolas Erzählungen genannt. Der Autor spricht darin
eine frühere Geliebte an, die Leidenschaft vergangener Tage: "Vertraue ich
unsere Gespräche dem Winde an, der vorüberweht, verletze ich das Geheimnis
unserer Zärtlichkeiten, und die geschwätzigen Liebhaber werden auf dieser
Welt durch die gleichgültige Kälte ihrer Vertrauten gestraft. Eine einzige
Hoffnung bleibt mir; es wird in diesem Lande nicht einen einzigen Menschen
geben, der unsere Geschichten lesen möchte." Zolas Intention ist freilich
eine völlig gegenteilige. Er bedient sich des Geheimnisses, des Intimen, um
möglichst viele Leser zu erreichen. Hinter Zolas Ninon stand zweifellos eine
wirkliche Geliebte. Auffallenderweise wird Ninon in den ersten Erzählungen
oft genug direkt angesprochen; allein dieser Passagen wegen lohnt es sich,
Zolas Erzählungen heute noch zu lesen. Je länger man liest, um so seltener
wird ihr Name erwähnt, um schließlich endgültig aus dem Text zu
verschwinden. Schreiben als Abkühlung einer Leidenschaft: "Jetzt ist Dein
Wunsch erfüllt, Ninon. Hier hast Du meine Erzählungen. Erhebe nicht mehr
Deine Stimme in mir, die Stimme der Erinnerung, die mir Tränen in die Augen
zwingt. Laß mein ruhebedürftiges Herz in Frieden, verschone mich in meinen
Kampftagen, betrübe mich nicht mehr durch die Erinnerung an unsere müßigen
Nächte. Willst Du ein Versprechen, so will ich Dich gerne wieder lieben,
später, wenn ich vergeblich auf dieser Welt andere Geliebte gesucht haben
und zu meiner ersten Liebe zurückkehren werde. Dann will ich wieder in die
Provence kommen, und am Ufer des kleinen Flusses werde ich Dich
wiederfinden. Winter wird es sein, süß-trauriger Winter mit hellem Himmel,
und die Erde wird von der Hoffnung auf zukünftige Ernte erfüllt sein. Komm,
eine ganze Jahreszeit wieder werden wir uns lieben; unsere friedlichen
Abende in den geliebten Landen werden wiederkehren; wir werden unsern Traum
erfüllen." In dieser Widmung lässt Zola seine Geliebte aus früheren Tagen,
zu einer Kunstfigur stilisiert, endgültig hinter sich, hat doch die vor ein
Massenpublikum zitierte Ninon nichts mehr mit Intimität zu tun.
Ein Autor mag ein Buch mit dem Gedanken beginnen, dieses einer bestimmten
Person zu widmen, dann während des Schreibens dieses doch einer anderen
Person zueignen. Bereits Laurence Sterne spielt in seinem
Tristram Shandy
darauf an, wenn er der an den Anfang des Buches gestellten Widmung später
mehrfach andere folgen lässt. Freilich darf hier nicht unerwähnt bleiben,
dass Widmungen zu seiner Zeit eine völlig andere Funktion hatten. Da es noch
kein Urheberrecht im heutigen Sinn gab, waren Autoren oft genug auf Gönner
angewiesen. Umgekehrt kommen Widmungen auch nicht immer gelegen. Sie können
auf die Ablehnung desjenigen stoßen, dem das Buch gewidmet ist. Oskar
Panizza etwa widmete seinen gegen Wilhelm II. gerichteten Gedichtband
Parisjana einem früheren Freund. Dieser wandte sich empört an den
Herausgeber: "Es hilft nichts, mit Panizza muß sauber aufgeräumt werden und
so schnell wie möglich", der Gedichtband sei "Material für den Irrenarzt",
Panizza "in der gebildeten Welt ein todter Mann." Der vermeintliche Freund
verfasste darüber hinaus noch ablehnende Rezensionen, die die
Staatsanwaltschaft auf den Gedichtband aufmerksam machten, was für Panizza
einen internationalen Haftbefehl wegen Majestätsbeleidigung zur Folge hatte.
Widmungen sind zumeist etwas höchst Privates, sie können aber auch
Gegenstand eines öffentlichen Diskurses werden. Als 1960 Hannah Arendts Buch
Vita activa - Oder vom tätigen Leben erschien, schrieb sie Martin Heidegger:
Du wirst sehen, daß das Buch keine Widmung trägt. Wäre es zwischen uns je
mit rechten Dingen zugegangen - ich meine zwischen, also weder Dich noch
mich -, so hätte ich Dich gefragt, ob ich es Dir widmen darf; es ist
unmittelbar aus den ersten Marburger Tagen entstanden und schuldet Dir in
jeder Beziehung so ziemlich alles. Hannah Arendt dachte wohl auch daran,
dass Martin Heidegger in der 1941 herausgegebenen Neuauflage von
Sein und
Zeit, das Werk erschien erstmals 1927, die an seinen Mentor Edmund Husserl
gerichtete Widmung gestrichen hatte:
Edmund Husserl in Verehrung und
Freundschaft zugeeignet. Jüdische Wissenschaftler wurden nicht nur von den
Universitäten vertrieben, man tilgte in Neuauflagen an sie gerichtete
Widmungen. Husserl musste diese symbolische Tilgung nicht mehr erleben. Er
starb bereits drei Jahre zuvor. Heidegger verteidigte sich später mit dem
Argument, die Streichung sei auf Druck des Verlegers geschehen.
Kurz vor seinem Tod besprach Max Weber die im Druck befindlichen und
geplanten Veröffentlichungen. Dabei dachte er auch an Widmungen.
Wirtschaft
und Gesellschaft, erst nach seinem Tod erschienen, ist folgende Widmung
vorangestellt:
Dem Andenken meiner Mutter / Helene Weber geb. Fallenstein /
1844 - 1919. Den ersten Band seiner
Gesammelten Aufsätze zur
Religionssoziologie ist seiner Frau
Marianne Weber 1893 "bis ins Pianissimo
des höchsten Alters" gewidmet. Die Widmung des zweiten Bandes lautet:
Mina
Tobler zugeeignet, die des dritten Bandes
Else Jaffé-Richthofen zugeeignet,
mit der ihn am Ende seines Lebens eine "rauschhaft innige" Liebesbeziehung
verband. Weber dachte auf seinem Sterbebett also an die vier wichtigen
Frauen seines Lebens. Wie hätte er sich entschieden, hätten sich nur drei
Werke im Druck befunden, wie, wären es fünf gewesen?
Auffallend häufig finden sich Widmungen in Büchern, deren Gegenstand alles
andere als erbaulich ist. Etwa:
Für Barbara: Die Widmung wäre an sich nicht
besonders auffallend, im Zusammenhang mit dem Titel erfährt sie jedoch eine
neue Bedeutung. Der Buchtitel lautet:
Der Gestank von Wien. Wie kann man
einer Frau, die man liebt, der man danken möchte, ein Buch widmen, welches
von Gestank handelt? Bücher, die vom Tod handeln, scheinen Widmungen
geradezu zu evozieren. Aries stellte seiner
Geschichte des Todes die Widmung
voran:
Für PRIMEROSE in utroque tempore semper una,
Simone de Beauvoir der
Beschreibung des Todes ihrer Mutter ein einfaches:
Meiner Schwester. Mit
Widmungen, die solchen Büchern vorangesetzt sind, ließen sich ganze Räume
füllen.
Wird in einer Widmung etwa einer Frau gedacht, die 1902 in Brandenburg geboren wurde und 1944 in Birkenau umkam, dann bedarf es keiner Deutung. Solche Widmungen erinnern an Menschen, deren Spuren sich in den Vernichtungslagern verloren haben. Es sind weniger Erinnerungen als Grabsteine, Grabsteine auf Papier, Grabsteine für Menschen, denen selbst ein Grab verweigert wurde. Solche "Widmungen" unterscheiden sich von vielen anderen durch ein wesentliches Merkmal. Ihnen fehlt jede Eitelkeit, jedes Kokettieren.
04/08 Bernhard Kathan
| Zum Ausstellungsprojekt
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Eine puristische, konzeptionelle Arbeit, in der 35 Widmungen in serieller
Rahmung und Hängung zu sehen sind. In einem Abstand von mehreren Metern hebt
sich für den Betrachter bestenfalls jeweils ein mehr oder weniger vergilbtes
Blatt ab. Er muss näher treten, um die einzelnen Buchstaben zu erkennen. Aus
ihrem Kontext gelöst erfahren all diese Widmungen durch ihre Nachbarschaften
eine neue Lesart. Von wem die einzelne Widmung stammt, ist unerheblich. Für
Literaturwissenschaftler mag von Interesse sein, dass Franz Kafka Ein
Landarzt. Kleine Erzählungen seinem Vater gewidmet hat. Meinem Vater, diese
Widmung findet sich in vielen Büchern. Würde man den Autor, die Autorin
nennen, würden die einzelnen Blätter wieder aus ihrem Zusammenhang gelöst,
stellte sich stets die Frage nach dem betreffenden Buch. Zudem erklären sich
manche Widmungen von selbst. Das Projekt kann übernommen werden, im besten
Fall sind klar strukturierte Räume mit großen Wandflächen vorhanden.
Inhaltlich lässt sich das Projekt in diese oder jene Richtung spielen.