Trennungen. Räumungs- und Reinigungsarbeiten



Bild: Bernhard Kathan


Das Theater (Geschichten aus dem Wienerwald) hat mich nicht sehr begeistert - warum weiss ich auch nicht recht. Das Stück ist sicher gut, aber wie es gespielt wurde, das hat mich irgendwie (mit Ausnahme der letzten Szene) nicht oder wenig berührt. Vielleicht war ich in Gedanken noch zu sehr in Schloss Lind und dieser Ausstellung, die in einer beunruhigenden und unheimlichen Umgebung sich doch kräftig und als eine Art Kontrapunkt zur Geltung bringt. Eine schwierige Aufgabe bist Du da angegangen, lieber Bernhard.
Franz Dodel, 7. Mai 2012


Die Ausstellung "Trennungen" fügt sich mit ihren höchst vielfältigen Objekten und Installationen in das andere Heimatmuseum von Schloss Lind ein. Und doch tritt sie aus dem Schatten des ARAMIS heraus - nicht nur durch die unaufdringliche Geste des Hindeutens und Aufzeigens, sie führt vor statt zu vereinnahmen. Zwei Säle mit einer Verbindungstür werden nur von Bernhard Kathan bespielt. Hier stehen sich eine Art Flügelaltar mit 160 gemalten Postkarten-Unikaten der 2009 verstorbenen Malerin Eva Elfferding und, im anderen Raum, die Großprojektion eines Recyling-Hof-Videos von Daniel Jarosch, MoziBrews, gegenüber.
Wieland Elfferding, Juli 2012


Wir neigen dazu, das Verbindende als positiv, das Trennende als negativ zu betrachten. Tatsächlich ist das eine nicht ohne das andere zu denken, ist unser Leben eine einzige Abfolge von Verbindungen und Trennungen. Bereits in der Geburt ist all das angelegt. Die Ausstellung in Schloss Lind versteht sich als Einladung diesbezüglich weiterzudenken. Sie ist als Spaziergang durch ein historisches Gebäude angelegt, von dessen wechselvoller Geschichte zahllose Spuren zeugen. Vor langer Zeit lebten darin Schlossherren mit Mägden und Knechten oder anderen Dienstboten. Während der NS-Zeit diente es als Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen, nach 1945 wurde es sich selbst überlassen. Seine Wiederbelebung verdankte sich Aramis, der sich von 1996 bis zu seinem Tod im Jahr 2010 intensivst mit diesem Gebäude beschäftigt hat. In seinen "assoziativen Installationen" arbeitete er durchwegs mit der Verknüpfung oft genug fremder Elemente wie der Isolierung, also mit den Mitteln des Trennens und Verbindens. Deshalb nimmt die Ausstellung bewusst auf seine Rauminstallationen bezug. Anlässlich eines Besuchs von Vorstandsmitgliedern des Steirischen Burgenvereins stieß Aramis mit folgendem Trinkspruch an: "ich erhebe mein glas auf unser kitschiges vergnügen an burgen und schlößern, die aus dem blutigen schweiß der leibeigenen knechte und mägde errichtet wurden und dem luxus dienten derer, die die dörfer der bauern auspreßten bis an die grenzen des elends!" Er hätte genauso gut über Zwangsarbeit sprechen können.
Das Projekt war alles andere als einfach. Die Probleme begannen bei den Räumen. Es ist gar nicht so einfach, ein historisches Gebäude zu bespielen, Räume, die für ganz andere Zwecke als für Ausstellungen errichtet wurden. Keine weißen, neutralen Räume, keine geraden Wände, in die sich mühelos ein Nagel schlagen lässt. Die Raumstruktur schwierig, auch der Zugang. Räume, die in hohem Maße besetzt sind, durch Aramis, Zwangsarbeit etc. Semiprivate Räume. Sehr viel Zeit war notwendig um eine sinnvolle Struktur in diese Ausstellung zu bringen. Manches konnte aus konservatorischen Gründen nicht gezeigt werden, manches deshalb nicht, weil es geklaut werden könnte. Dann fehlt eine Sammlung, auf die ich vor Ort hätte zugreifen können. Hat man nur geringe Mittel zur Verfügung, dann lässt sich nicht mit Blockbustern arbeiten. Wirkung lässt sich nur erzielen, gelingt es, die Räume selbst zum sprechen zu bringen, Objekte und Geschichten so anzuordnen, dass sie gleichermaßen als Leitsystem wie als Narration fungieren. Wichtig war mir ein gut gesetzter Wechsel von Medien, die einmal diesen, dann jenen Sinn ansprechen. Schließlich sollte mit dem von der REGIONALE XII finanzierten Projekt modellhaft gezeigt werden, wie sich in kleinen Museen am Land arbeiten lässt. Es genügt heute nicht mehr, da etwas aufzuhängen, dort etwas aufzustellen. Das lässt sich landauf landab sehen. Wirklich innovative Ausstellungsprojekte müssen sich in Richtung eines sozialen Feldes entwickeln.
Aramis neigte in seinen Installationen zu üppigster Inszenierung, zeigte von allem Mengen, abgetragenes Schuhwerk, immer wieder Knochen, Schädel von Menschen und Tieren, benutzte Damenbinden, zu Kränzen geflochtenen Stacheldraht, Fundstücke aus dem Bauwerk oder anderen Ruinen, bäuerliches Werkzeug, Scherben, Wachs, abgebrannte Kerzen, Schlangenhäute, sehr viel Organisches, Laub, Kehricht und Erde, dazwischen vergilbte Zeitschriften, Kitschabbildungen oder auch Dokumente aus der österreichischen Geschichte etc. Um nicht nur die Räume, sondern vor allem seine Arbeiten zur Geltung zu bringen, musste freigestellt werden. Eine Zwiesprache mit vorhandenen Installationen ist nur möglich, heben sich die Eingriffe deutlich ab. Es hätte keinen Sinn gemacht, wie Aramis Fotografien oder Textzitate an die Wand zu nageln. Da waren Eingriffe gefordert, die sich entgegensetzen, darüber hinaus den Räumen, sofern das überhaupt möglich ist, mit Hilfe einer minimalen Ausstellungsarchitektur Struktur zu geben. Statt Mengen Serien. Statt bedeutungsschwangerer Installationen Texte und Geschichten, die den Rezipienten selbst Deutungsarbeit abverlangen. Besonders schwierig war es Aramis' Gedenkraum zu integrieren. In diesem Raum blieben zwei Installationselemente erhalten. Der restliche Raum wurde leergeräumt, zurückhaltend drei Arbeiten entgegengestellt, die formal und inhaltlich mit diesen korrespondieren. Den Koffer, aus dem ein menschlicher Oberschenkelknochen wie ein vertrockneter Ast einer Rosenhecke herausragt, habe ich wie den Kranz der Österreichischen Lagergemeinschaft belassen.
Die Geschichte hätte sich noch ein gutes Stück weiterspielen lassen. Gerne hätte ich mehr Zeit gehabt, mich abends in Gasthäuser der Gegend zu setzen. Da fehlte es nicht an Trennungs-Geschichten. Aber als Kurator kann und soll man nur einen Teil des Weges gehen. Den Rest muss man anderen überlassen.

Bernhard Kathan, 2012

Bild: Bernhard Kathan


Literaturhinweis:
Andreas Staudinger
Baustellen. Über den Ruinenbaumeister und Gesamtkunstwerker Aramis
Leykam Graz 2012


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